Rede von Hermann Schaus

Hermann Schaus - Gesetzentwurf zum Polizeibeauftragten von CDU und Grüne ist enttäuschend

Hermann Schaus
Hermann SchausInnenpolitik

In seiner 51. Plenarsitzung am 2. September 2020 diskutierte der Hessische Landtag über einen Gesetzentwurf zur Einführung eines unabhängigen Polizei- und Bürger*innenbeauftragten beim Landtag. Dazu die Rede unseres innenpolitischen Sprechers Hermann Schaus.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Forderung nach einer oder einem Bürger- und Polizeibeauftragten ist mindestens so alt wie die Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag. Seit wir 2008 in den Landtag eingezogen sind, fordern wir eine solche Stelle, übrigens ebenso wie damals die GRÜNEN.

Wir haben bereits mehrmals die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und GRÜNEN eingefordert. Da waren wir in der Vergangenheit konsequent und hartnäckig. Nun endlich kommt Bewegung in die Sache. Es hat sich gelohnt, all die Jahre Druck gemacht zu haben. Links wirkt.

Was aber offenbar auch gewirkt hat, sind die Polizeiskandale der jüngsten Zeit, die Debatten über die NSU-2.0-Ermittlungen, die rechtsextremen Netzwerke in der Polizei, das Racial Profiling oder die jüngsten Videoaufnahmen eines brutalen Polizeieinsatzes in Alt-Sachsenhausen.

Dadurch und durch den bereits vor Monaten von der SPDFraktion eingebrachten Gesetzentwurf sind die Koalitionsfraktionen so unter Rechtfertigungsdruck geraten, dass sie ihren lang angekündigten Gesetzentwurf nun eiligst vorgelegt haben. Wir als LINKE unterstützen weiterhin den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, zumal wir ähnliche Vorstellungen dazu haben. Er enthält klare Regelungen und sieht vor allem klare Kompetenzen vor, die eine unabhängige Bürger- und Polizeibeauftragte braucht, um erfolgreich für die Bürgerinnen und Bürger tätig werden zu können.

Es ist gut, dass eine unabhängige Stelle, die beim Landtag eingerichtet werden wird, internen wie externen Vorwürfen gegen Behörden und Polizei nachgehen wird. Bisher untersucht z. B. die Polizei selbst, ob die Vorwürfe gegen sie berechtigt sind oder nicht. Ähnlich ist es auch in den anderen Landesbehörden. Kollegen ermitteln also gegen Kollegen. Das ist und bleibt problematisch.

(Beifall DIE LINKE)

Wir hatten in Hessen zahlreiche Polizeimaßnahmen, die kritisch in den öffentlichen Blickpunkt geraten sind. In all diesen Fällen gab es Vorwürfe von Bürgerinnen und Bürgern.

Ich will ausdrücklich hinzufügen: Das heißt nicht, dass die Vorwürfe gegenüber der Polizei im Allgemeinen oder gegen Behördenmitarbeiter immer berechtigt sind. Dennoch stehen in der Öffentlichkeit viele dieser Ermittlungen immer wieder im Verdacht, sie würden nur formal und mit dem Ziel, sie schnell intern einzustellen, geführt.

Diesem Eindruck müssen wir durch eine unabhängig arbeitende Stelle begegnen, die mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet werden muss. Das ist auch dann besonders wichtig, wenn Vorwürfe innerhalb der Behörden, also von Kollegen gegenüber Kollegen, erhoben werden. Denn auch Amtsmissbrauch wird oft nur durch Whistleblower öffentlich, weil es Angst wegen Repressionen in der eigenen Behörde gibt.

Beim jetzt vorgelegten Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sehe ich Licht und Schatten. Ich sehe Licht beim Anforderungsprofil und hinsichtlich der Unabhängigkeit, die für eine solche Person gefordert wird. Ich sehe auch Licht bei der Zusammenarbeit mit den Abgeordneten des Landtags, insbesondere mit denen des Innenausschusses und hinsichtlich der jährlichen Berichterstattung im Landtag. Ich sehe auch Licht hinsichtlich der unabhängigen Arbeitsmöglichkeiten.

Schatten sehe ich hingegen bei den geringen Kompetenzen gegenüber den zu prüfenden Behörden. Wohlgemerkt, es geht um zu prüfende Behörden und nicht ums Moderieren. Es geht um Konfliktbewältigung und Konflikte, die nicht einfach wegmoderiert werden können.

So kann der oder die Beauftragte laut § 4 des Gesetzentwurfs nur – ich darf zitieren – „um … Einsicht in Akten und Unterlagen ersuchen“. Ich frage: Wieso diese Bittstellerrolle? Warum ist der Bürgerbeauftragte nicht Hilfsorgan des Landtags bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle, so wie es im Entwurf der SPD-Fraktion geregelt ist? Das ist viel klarer. Das ist auch eine andere Funktion.

Wieso gibt es hier kein klar geregeltes Einsichtsrecht? Wieso gibt es kein Zutrittsrecht für den Beauftragten? Zudem heißt es in § 5 Abs. 5 des Gesetzentwurfs – ich zitiere –:

Ist die oder der Bürgerbeauftragte der Ansicht, dass die behördliche Maßnahme rechtswidrig ist und die Beschwerdeführerin oder der Beschwerdeführer dadurch in ihren oder seinen Rechten verletzt ist, oder dass ein innerdienstliches Fehlverhalten vorliegt, teilt sie oder er dies in bedeutenden Fällen dem fachlich zuständigen Ministerium mit und gibt ihm Gelegenheit zur Stellungnahme.

Wieso sollen denn nicht alle diese Fälle dem zuständigen Ministerium vorgelegt werden? Das ist die erste Frage. Wieso diese Bittstellerrolle, diesen Bückling, zu dem Sie den Beauftragten zwingen? Das ist die zweite Frage.

(Beifall DIE LINKE)

Über diese und noch weitere Einschränkungen und Regelungen müssen wir intensiv mit Experten beraten. Dafür besteht am 24. September in der bereits angesetzten Anhörung zum SPD-Gesetzentwurf – Kollege Rudolph wies eben darauf hin – die erste Gelegenheit, und das ist gut so. Es gibt im Detail also noch viel zu beraten, damit dort, wo Bürger- und Polizeibeauftragte drauf- bzw. dransteht, auch Bürger- und Polizeibeauftragte drin ist. Nicht akzeptabel wäre es nämlich für uns, wenn es einen landesweiten Kummerkasten ohne Durchgriffsbefugnisse gäbe, so, wie wir es im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zu erkennen glauben.

Was wir deshalb brauchen, ist eine unabhängige Stelle für ernste Konflikte und Vorwürfe gegen Behörden oder Polizei oder bei Konflikten und Vorwürfen innerhalb von Behörden oder Polizei.

(Beifall DIE LINKE)

Hierfür muss beim Landtag eine selbstbewusste und mit starken Rechten ausgestattete Behörde geschaffen werden.

(Beifall DIE LINKE)