Rede von Hermann Schaus

Tarifflucht beim Darmstädter Echo: "Ein skandalöser Vorgang"

Hermann Schaus

Zur Aktuellen Stunde der LINKEN betreffend "Keine Tarifflucht in hessischen Betrieben"

Zur Aktuellen Stunde der LINKEN betreffend "Keine Tarifflucht in hessischen Betrieben":

 

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

die Verlagsgruppe Rhein Main, zu der die Mainzer Allgemeine Zeitung, der Wiesbadener Kurier und das Wiesbadener Tagblatt gehören und das Medienhaus Südhessen mit der Zeitungsgruppe Darmstädter Echo, bauen derzeit gemeinsam ein neues Druckzentrum in Rüsselsheim. Hier soll eine der größten europäischen Druckereien mit einer Produktion von 28 Zeitungen und vielen Anzeigenblättern entstehen.

Zur Zeit verrichten diese Arbeiten 130 Beschäftigte in Darmstadt und 260 Beschäftigte in Mainz. In der neuen Druckerei werden dann nur noch 200 Arbeitnehmer/innen benötigt.

Weil es sich juristisch um einen neuen Gemeinschaftsbetrieb handelt, findet auch keine sonst übliche Sozialauswahl unter den rund 400 Beschäftigen statt und es werden auch keine (ich wiederhole KEINE) Arbeitnehmer im Rahmen eines Betriebsübergangs übernommen. Alle erhalten die Kündigung!

Alle dieser 400, meist langjährigen Beschäftigten, dürfen sich aber gnädigerweise, gemeinsam mit vielen anderen Arbeitsuchenden, für einen der verbleibenden 200 Arbeitsplätze bewerben.

Verantwortlich für diesen zynischen und menschenverachtenden Vorgang ist der Darmstädter-Echo-Verleger und IHK-Präsident von Südhessen, Dr. Hans-Peter Bach.

Herr Bach hat offenbar das formale Recht auf seiner Seite. Weil nämlich neue Druckmaschinen für Rüsselsheim angeschafft und die Alten dann stillgelegt werden, finden, trotz der Produktionsverlagerung, die gesetzlichen Schutzbestimmungen des Betriebsübergangs nach §613a BGB, keine Anwendung. Oder klarer gesagt; Sie werden einfach legal unterlaufen!

In dem neuen Druckzentrum soll es auch keine Tarifbindung mehr geben. Also erheblich niedrigere Löhne als in den bisherigen beiden Druckereien sind unternehmerisch eingeplant.

Die gleiche Situation finden wir übrigens auch bei der Firma Schlecker vor, wo kurzerhand im gleichen Unternehmen ein neuer Betrieb namens "Schlecker XL" gegründet wird, der nicht tarifgebunden ist und der seit kurzem neue Filialen in den gleichen Städten eröffnet, die alten schließt und nur ausgewählte Beschäftigte in seinen neuen Betrieb ohne Tarifbindung zu niedrigeren Löhnen, übernimmt. So macht man übrigens einen Betrieb auch gleich noch betriebsratsfrei!

Es ist ein unerträglicher Zustand, dass langjährige Beschäftigte und ihre Betriebsräte auf solche Weise von findigen, eiskalten Unternehmern ausgetrickst und ihrer Existenzgrundlage beraubt werden können. Dies muss rechtlich schnellstens geändert werden!

Da die Zeitung des IHK-Präsidenten von Südhessen, Herrn Dr. Bach ein Meinungsmonopol in der gesamten Region Südhessen besitzt, wird über diesen skandalösen Vorgang, die Öffentlichkeit nicht informiert. Deshalb hat die Gewerkschaft ver.di 50.000 Informationsschriften, in einer groß angelegten Aktion, an sämtliche Haushalte in Darmstadt verteilt.

Merke: Wer die Mediendominanz in der Region besitzt, der kann sich fast alles erlauben und niemand bekommt es mit! – Auch deshalb bringen diesen skandalösen Vorgang in den Landtag ein.

Zwischenzeitlich hat sich sogar der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck mit einem Schreiben an beide Verlage gewandt, in dem er appelliert die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmer wahrzunehmen und im neuen Druckzentrum Rüsselsheim die Tarifverträge der Druckindustrie anzuwenden. Mit Blick auf die Funktion des Darmstädter-Echo-Verlegers, Dr. Bach als IHK-Präsident Südhessens, schreibt Ministerpräsident Beck – wie ver.di berichtet -   Mitbestimmung und Flächentarifverträge sind wichtige wirtschafts- und sozialpolitische Errungenschaften, die zum sozialen Frieden Beitragen und fordert die Übernehme möglichst vieler Beschäftigter aus den bisherigen Druckereien.

Von der hessischen Landesregierung wünscht sich ver.di, wie wir, eine ebenso deutliche Haltung zur Tarifbindung und Übernahme der von Arbeitslosigkeit bedrohten.

Deshalb haben wir den vorliegenden Dringlichen Entschließungsantrag eingebracht, in dem der Verleger und IHK Präsident Dr. Bach aufgefordert wird seiner wichtigen Funktion als hoher Repräsentant der Arbeitgeber endlich gerecht zu werden!   

Wir sollten uns alle an die Seite der Betroffenen stellen und einmütig unseren Antrag beschließen, damit nicht wieder die Beschäftigten einseitig die Zeche zahlen während der Unternehmer den Reibach macht!