Rede von Hermann Schaus

Hermann Schaus zum Glücksspielstaatsvertrag 2021

Hermann Schaus
Hermann SchausInnenpolitik

In seiner 57. Plenarsitzung am 10. November 2020 diskutierte der Hessische Landtag über die Neuregelung des Glücksspiels in Deutschland. Dazu die Rede unseres innenpolitischen Sprechers Hermann Schaus.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Der vorliegende Glücksspielstaatsvertrag 2021 soll das heillose Durcheinander, welches in den letzten Jahren entstanden ist, nun neu sortieren. Wohlgemerkt: Ich spreche von „sortieren“ und nicht von „beseitigen“. Ich glaube, das ist auch die Kernaussage.

Dieses Durcheinander ist insbesondere durch das verstärkte Aufkommen von Onlineglücksspielen und Wetten durch private, oft im Ausland sitzende Unternehmen entstanden. Denn betrachtet man die gegenwärtige Situation der staatlichen Verbote und Erlaubnisse zum Thema Glücksspiel, dann kommt man aus dem Kopfschütteln nicht heraus.

Es waren aber auch die Privatisierungs-Wegbereiter in der EU, die das vormals ausschließlich staatliche Lotterie- und Glücksspielwesen in Deutschland unter Druck gesetzt haben. Es waren Bundesländer wie Schleswig-Holstein – an dieser Stelle schaue ich verschärft die FDP an –,

(Günter Rudolph (SPD): Dann musst du da hinschauen!)

die an ihrer längst überholten neokonservativen Deregulierungspolitik lange festgehalten haben und das teilweise heute noch tun.

(Zurufe Freie Demokraten)

Um es klar zu sagen: Uns wäre ein Betreiben von Glücksspielen ausschließlich in öffentlicher Hand am liebsten, weil dadurch die Gewinne ausschließlich dem Allgemeinwohl zur Verfügung gestellt werden könnten und eine direkte Kontrolle möglich wäre.

(Beifall Jan Schalauske (DIE LINKE))

Dem steht aber leider das Wettbewerbsrecht innerhalb der EU gegenüber.

Im vorliegenden Glücksspielstaatsvertrag sollen nun gleichzeitig der Spielerschutz verbessert und der entstandene Schwarzmarkt eingedämmt werden. Beide Ziele sind wichtig und richtig.

Was den Spielerschutz – besser gesagt: den Schutz der meist männlichen Spieler vor sich selbst – angeht, so finden sich im vorliegenden Staatsvertrag gegenüber dem jetzigen Zustand durchaus beachtliche Verbesserungen.

Um aus dem gegenwärtigen Dilemma herauszukommen, müssen Lösungen, die sich am Gemeinwohl orientieren und die Spielsucht bekämpfen, gefunden und konsequent angegangen werden.

Wenn man die Spielsuchtstatistiken der letzten Jahre liest, dann wird schnell klar, dass der weit überwiegende Teil der pathologischen Spieler ihre Spielsucht an Glücksspielautomaten auslebt. Diese Automaten sind nun erstmals in den Staatsvertrag einbezogen worden.

Die Ausweitung eines spielformübergreifenden Sperrsystems unter Einbeziehung von Glücksspielautomaten in Gaststätten ist hierbei ein wichtiger Schritt. Ich kann mir zwar noch nicht vorstellen, wie das technisch funktioniert, aber ich denke, dass es sicherlich Lösungen gibt, wenn es so im Staatsvertrag formuliert ist.

Eine weitere Verbesserung – das ist mehrfach angesprochen worden – stellt zudem das Höchstlimit von 1.000 € pro Monat bei allen Glücksspielanbietern im Internet dar – nur darauf bezieht sich das im Übrigen, was man an dieser Stelle auch noch einmal sagen muss. Es geht nicht um Automatenspiel, und es geht auch nicht um Casinos und dergleichen. Ja, ich stimme dem Kollegen Rudolph zu. Das ist viel Geld. Die FDP sagt eher: Das ist wenig. – Das ist eben der Unterschied.

(Günter Rudolph (SPD): Untere Mittelschicht!)

Wir haben da unterschiedliche Perspektiven. Es ist aber sozusagen eine Grenze eingezogen. Darüber kann man streiten, aber das halte ich für einen sehr wichtigen und zentralen Punkt bei der Spielsuchtbekämpfung. Der vorliegende Staatsvertrag stellt daher auch einen Schutz vor dem Selbstruin von Spielern dar, die im Regelfall ihre Familien mitreißen und in den finanziellen Abgrund ziehen.

Zu den bestehenden Inkonsequenzen – diese Bemerkung möchte ich mir an der Stelle nicht ersparen – gehört aber auch weiterhin, dass das Wetten auf zukünftige Ereignisse, soweit es sich auf die Entwicklung der Börsenkurse bezieht, durch keinen Staatsvertrag und durch kein Gesetz erfasst wurde. Dabei findet dieses tagtäglich durch sogenannte Derivate statt. Dass in diesem Bereich die abgeschlossenen Wetten auf zukünftige Kurse sogar volkswirtschaftlich zu erheblichen Instabilitäten führen, wurde in der Finanzkrise 2009 und 2010 hinlänglich deutlich.

Zurück zum Staatsvertrag. Mit dem Staatsvertrag soll auch eine Stärkung des Lotteriemonopols verfolgt werden. Dies soll durch die Regulierung des Onlinecasinospiels und durch die Aufteilung in Onlinecasinospiele durch die staatlich konzessionierten Monopolisten sowie die Automatenspiele durch eine unbegrenzte Zahl von privaten Erlaubnisinhabern erfolgen.

Ob dies gelingt und die vielen Milliarden Euro Spielgelder dadurch tatsächlich in die richtigen Bahnen gelenkt werden können, bleibt offen. Das werden wir erst in einigen Jahren sehen und beurteilen können.

Wir werben weiterhin für die Stärkung des geltenden Monopols für die staatlichen Toto- und Lottogesellschaften. Dies wäre wichtig, weil zahlreiche soziale Projekte – auch das ist angesprochen worden – und z. B. auch der Breitensport aus Lottomitteln gefördert werden. Die unbegrenzte Zulassung privater Konkurrenz wird aber den Lottoumsatz noch weiter verringern – und damit auch die Anteile für die vielen sozialen Einrichtungen. Das muss ebenfalls klar sein, und daran können wir kein Interesse haben.

(Beifall DIE LINKE)

Der vorliegende Staatsvertrag, der nunmehr wieder alle 16 Bundesländer umfasst und hoffentlich auch von allen Landesparlamenten so beschlossen werden wird, ist ein Kompromiss aus sehr unterschiedlichen Interessen. Das ist wohl wahr.

Es ist zu hoffen, dass durch die erstmalige Schaffung einer zentralen Glücksspielbehörde der Länder, die ab dem Jahr 2023 ihre Arbeit aufnehmen soll, auch eine Einheitlichkeit im Glücksspielwesen in ganz Deutschland entsteht. Warten wir es also ab.

(Beifall DIE LINKE)