Rede von Hermann Schaus

Hermann Schaus zu Änderungen im Beamtenrecht

Hermann SchausInnenpolitik

In seiner 76. Plenarsitzung am 15. Juni 2021 diskutierte der Hessische Landtag über eine Reihe von Änderungen im Beamtenrecht. Dazu die Rede unseres innenpolitischen Sprechers Hermann Schaus.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute beraten wir ein sehr umfangreiches Gesetz, das nahezu in allen beamtenrechtlichen Gesetzen Änderungen vorsieht. Änderungen sollen demnach vorgenommen werden im Hessischen Beamtengesetz, im Hessischen Besoldungsgesetz, im Hessischen Disziplinargesetz, im Hessischen Beamtenversorgungsgesetz, im Hessischen Personalvertretungsgesetz, im Hessischen Reisekostengesetz, im Hessischen Umzugskostengesetz, im Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz, in der Hessischen Laufbahnverordnung, in der Hessischen Polizeilaufbahnverordnung, in der Hessischen Beihilfeverordnung, in der Hessischen Urlaubsverordnung und in der Hessischen Trennungsgeldverordnung.

Sie merken, wie umfangreich dieser Gesetzentwurf mit seinen 51 Seiten geworden ist. Ich will nur beispielhaft auf wenige Punkte eingehen.

Vorgesehen sind bei einzelnen Gesetzen und Verordnungen manchmal nur kleine Anpassungen, wie z. B. die Erweiterung des Kreises der politischen Beamtinnen und Beamten auf die zukünftige Landespolizeipräsidentin. Oder wird es wieder ein Mann? Kleine Änderungen also, aber mit großer politischer Wirkung.

Als LINKE sehen wir diesen Punkt ganz anders. Aus unserer Sicht muss bei der Besetzung der Stelle der Polizeipräsidentin bzw. des Polizeipräsidenten allein die Fachlichkeit entscheiden, aber nicht das Parteibuch.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

All diese Stelleninhaber müssen ihre Funktion unabhängig und neutral ausüben und dürfen nicht von der Willkür des Innenministers abhängig sein.

Im Gesetzentwurf vorgesehen ist auch, das Höchstalter für Bewerbungen bei Einstellungen in den Vorbereitungsdienst der Polizei von 32 auf 36 Jahre anzuheben. Zudem soll für bei den Tests zweimal durchgefallene Bewerber eine erneute Bewerbung nach drei Jahren möglich sein. Beides deutet auf erhebliche Probleme bei den Bewerbungen für die Polizei hin. Anders kann man das gar nicht bewerten.

Durch eine Änderung des Personalvertretungsgesetzes soll die wegen Corona eingeführte und bis zum 31. Mai dieses Jahres befristete Möglichkeit dauerhaft gegeben sein, dass Personalräte Onlinesitzungen durchführen und Umlaufbeschlüsse fassen können.

Vizepräsident Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn:

Ich darf ganz kurz alle Kollegen bitten, die Maske richtig zu tragen. – Danke schön.

Hermann Schaus (DIE LINKE):

Dagegen hat sicher niemand etwas. Aber auch hier frage ich mich: Wieso wird dies jetzt, also im Vorfeld einer bereits seit Langem ausstehenden umfassenden Novelle des Personalvertretungsgesetzes, vorgenommen? Mit anderen Worten: Wäre es nicht sinnvoll gewesen, diese Novelle des Personalvertretungsgesetzes endlich auf den Tisch des Hauses zu legen?

(Beifall DIE LINKE)

Viele Regelungen also, die es wert gewesen wären, sie in einem geordneten Anhörungsverfahren, so wie im Beamtenrecht vorgesehen, ausführlich mit den zuständigen Gewerkschaften vor der Einbringung zu beraten. Diese Beratungen sind bei Gesetzesvorhaben der Landesregierung deshalb auch gesetzlich vorgeschrieben, weil es, anders als bei den Tarifverträgen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Landes, keine Tarifverhandlungen für Beamte gibt.

In § 53 des Beamtenstatusgesetzes heißt es dazu:

Bei der Vorbereitung gesetzlicher Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse durch die obersten Landesbehörden sind die Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften und Berufsverbände zu beteiligen. Das Beteiligungsverfahren kann auch durch Vereinbarung ausgestaltet werden.

Die Gewerkschaften wurden im Innenministerium nicht beteiligt. Eine kursorische Vorstellung fand dort zwar statt, aber eine Auseinandersetzung war nicht möglich, weil der Entwurf überhaupt nicht vorlag. Dieser nun von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Gesetzentwurf – Herr Kollege Rudolph hat schon darauf hingewiesen – wurde im Innenministerium entwickelt und dort seit Langem vorbereitet, aber nicht innerhalb der Fraktionen, die diesen Gesetzentwurf eingebracht haben.

Ein angeblicher Zeitdruck ist also nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist er künstlich erzeugt worden, um die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung wieder einmal zu umgehen, wie wir das in den vergangenen Jahren bei vielen beamtenrechtlichen Regelungen von dieser Koalition fast gar nicht mehr anders kennen. Es gibt überhaupt keine Einbringung mehr von Gesetzentwürfen zu beamtenrechtlichen Fragen durch die Landesregierung. Diese Initiativen gehen immer auf die Koalition zurück. Damit werden die Gewerkschaften bei der Vorbereitung und in der Diskussion sozusagen ausgeschaltet.

Die vorliegende Gesetzesinitiative ist nach Aussage der Gewerkschaften seit Jahren in der Pipeline. Die Uneinigkeit in der Regierungskoalition hat dazu geführt, dass sie nicht fertig wurde, und nun muss alles ganz schnell gehen. Angesichts der umfangreichen und durch das Parlament höchstens teilweise nachvollziehbaren Details geht das definitiv nicht, meine Damen und Herren.

Es gab zwar einen Gesprächstermin im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport zu dem Gesetzentwurf, zu dem der Minister den DGB, den Beamtenbund und den Richterbund eingeladen hatte. Dort wurde eine Präsentation durch die Arbeitsebene gezeigt. Dabei konnten sich die Gewerkschaften lediglich Notizen machen. Zugeschickt wurde ihnen die Präsentation danach aber nicht.

(Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD): Hört, hört!)

Eine politische Debatte sei in dem Gespräch ohnehin nicht möglich gewesen. Der Minister habe die Gewerkschaften lediglich begrüßt und musste dann gehen. Der anwesende Staatssekretär ging ebenfalls wegen Terminkollision nach wenigen Minuten. Das alles spricht für sich selbst.

(Beifall DIE LINKE)

Der Gesetzentwurf enthält positive und negative Aspekte. Einiges davon ist auch überfällig. Dazwischen sind aber auch einige brisante politische Fragen versteckt. Einige habe ich vorhin angesprochen. Wir müssen die erneut von der Koalition umgangene Beteiligung der Gewerkschaften nun in einem gründlichen Anhörungsverfahren im Innenausschuss nachholen. Uns jedenfalls ist die Meinung der Gewerkschaften sehr wichtig. Deshalb wollen wir sichergestellt haben, dass sie wenigstens jetzt ausreichend Zeit erhalten, zu diesem umfangreichen Gesetzentwurf detailliert Stellung zu nehmen und im Ausschuss diskutieren zu können. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

 

2.Rede:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich will es gar nicht lange machen. Ich will nur noch einmal auf eines hinweisen. Selbstverständlich gibt es Termine, wo man wegmuss und wo kurzfristig etwas dazwischenkommt. Das ist gar nicht die Frage, und das ist auch nicht die Kritik. Ich glaube, das ist auch nicht die Kritik der Gewerkschaften.

Aber ich stelle fest, und ich behaupte das jetzt einmal: Seit 2014 gibt es nach meiner Wahrnehmung keinen einzigen Gesetzentwurf in beamtenrechtlichen Fragen, der durch die Landesregierung in dieses Parlament eingebracht wurde, sondern es waren immer Koalitionsentwürfe.

Deswegen will ich so vehement, wie ich das in den vergangenen Jahren schon an mehreren Stellen getan habe, darauf hinweisen, dass es wichtig ist und dass es ein verbrieftes Recht ist, gerade in diesen Fragen die Gewerkschaften anzuhören und ihnen auch Möglichkeiten zur Stellungnahme zu geben, bevor ein Gesetzentwurf im Kabinett beschlossen wird und bevor er in den Landtag eingebracht wird.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das wird in diesem Innenministerium permanent mit Füßen getreten. Es ist offensichtlich schon zum Normalzustand geworden, Koalitionsentwürfe hier einzubringen und nicht mehr Regierungsentwürfe, und damit – das behaupte ich jetzt, und dafür sind Sie als Innenminister verantwortlich – die Beteiligungsmöglichkeiten der Gewerkschaften bewusst zu umgehen. Das ist der Tatbestand, und den erlebe ich seit Jahr und Tag, zumindest seit dieser schwarzgrünen Regierung.

(Beifall DIE LINKE und SPD)