Rede von Hermann Schaus

Hermann Schaus - Kommunen in der Corona-Krise unterstützen

Hermann Schaus
Hermann SchausCoronaKommunales

In seiner 65. Plenarsitzung am 3. Februar 2020 diskutierte der Hessische Landtag über die Situation der Kommunen in der Corona-Pandemie. Dazu die Rede unseres kommunalpolitischen Sprechers Hermann Schaus.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Der Einsatz für sozialere, ökologischere und gerechte Verhältnisse in unserer Gesellschaft beginnt vor Ort in den Kommunen.

Für uns als LINKE ist das Engagement für ein gutes Leben für alle in lebenswerten Nachbarschaften, Stadtteilen, Dörfern, Gemeinden und Städten ein zentrales Element unserer Politik. Deshalb freue ich mich, dass wir heute hier im Landtag die Gelegenheit haben, über die verschiedenen Sichtweisen auf dieses Thema, die schon klar geworden sind, zu diskutieren.

Der vorliegende Entschließungsantrag ist dafür ein guter Ausgangspunkt. „Gemeinsam für starke Kommunen in einem starken Hessen“, heißt es. Das klingt nach entschlossener Initiative und blühenden Landschaften. Wer könnte etwas dagegen haben? Tatsächlich liest sich ihr Antrag in weiten Teilen so, als hätten Sie ihn direkt aus einer Broschüre der Bundeszentrale für politische Bildung abgeschrieben. Das Aufgabenspektrum der Kommunen umfasst eine große Bandbreite im Rahmen der Daseinsvorsorge. Das ist korrekt, sogar ohne die Feststellung durch den Landtag.

Auch wird wohl niemand bestreiten,

… dass für die Ausgestaltung der Kommunalen Selbstverwaltung eine angemessene und bedarfsgerechte Finanzausstattung von wesentlicher Bedeutung ist und durch die Verfassung gleichermaßen garantiert wird.

Das Problem beginnt aber dort, wo Sie versuchen, solche unbestrittenen Sachverhalte mit Ihrem Regierungshandeln und der Realität vor Ort in Einklang zu bringen. Da wird das Eis, auf dem Sie sich hier bewegen, dann nämlich ganz schön dünn.

Ein echter Partner der Kommunen ist diese Landesregierung in den letzten Jahren jedenfalls nicht gewesen. Am deutlichsten wird dies in der Frage der Kommunalfinanzen. Hier loben Sie sich lang und breit für Entwicklungen, für die Sie im Grunde gar nichts können.

Dass die Kommunen vor Ausbruch der Corona-Krise finanziell besser dastanden als vor einigen Jahren, ist zuallererst das Verdient historisch niedriger Zinsen und einer starken Konjunktur, die zu massiv steigenden Einnahmen geführt hat, und nicht das Verdienst Ihrer Ideologie von der schwarzen Null und Ihrer diversen Schutzschirmprogramme.

(Beifall DIE LINKE)

Vor Ort in den Kommunen haben diese Programme in erster Linie zu unsinnigen Kürzungen bei freiwilligen Leistungen und dringend notwendigen Investitionen geführt. Mit der von Ihnen so viel beschworenen Generationengerechtigkeit hat das jedenfalls nichts zu tun, wenn unsere Kinder wegen geschlossener Schwimmbäder nicht mehr schwimmen lernen, sich die Fenster in den Schulen nicht öffnen lassen, digitales Lernen wegen fehlender Ausstattung nicht möglich ist oder der Bus in die nächste Stadt nur einmal pro Stunde angefahren kommt. An dieser Misere im Bereich der sozialen Infrastrukturen ändern auch die zahlreichen Sonderprogramme wenig, die Sie in den letzten Jahren aufgelegt haben. Um die anhaltende Unterfinanzierung der Kommunen auszugleichen, braucht es mehr als Feuerwehrpolitik, nämlich angemessene und bedarfsgerechte Mittel, verlässlich und dauerhaft.

(Beifall DIE LINKE)

Nichts mit Gerechtigkeit zu tun hat im Übrigen auch, dass in vielen Gemeinden in den letzten Jahren die Gebühren und Steuern, insbesondere die Grundsteuer B, massiv erhöht wurden. Das ist z. B. dort der Fall, wo sich die Kommunen endlich dazu durchgerungen haben, die unsinnigen Straßenbeiträge abzuschaffen. Auch hier gilt: Ohne eine ausreichende Gegenfinanzierung durch das Land sind es am Ende die Bürgerinnen und Bürger, die die Zeche zahlen müssen. Gerade eine Erhöhung von Gebühren und Grundsteuer trifft vor allem Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen hart. Gerecht geht anders.

(Beifall DIE LINKE)

Das war die Situation vor Ausbruch der Pandemie. Die Corona-Krise führt aber zu einer neuerlichen Verschärfung der kommunalen Haushaltslage. Schon jetzt ist doch klar, dass der Kommunale Finanzausgleich weiterhin auf wackeligen Beinen steht, dass die Mittel für die Kommunen nicht ausreichen werden und dass die strengen und ökonomisch unsinnigen Regelungen im Haushaltsrecht nur ausgesetzt, aber nicht aufgehoben sind. Hier regiert also das Prinzip Hoffnung.

Das Problem ist allerdings: Nach einer raschen Erholung sieht es aktuell ganz und gar nicht aus. Im Gegenteil, es drohen zusätzliche Milliardenausfälle bei den kommunalen Steuereinnahmen. Die möglichen Folgen sind verheerend.

Laut einer Studie von Ernst & Young – sie ist bereits angesprochen worden – wollen 37 % der hessischen Kommunen Leistungen einschränken. Das heißt, sie wollen Schwimmbäder, Bibliotheken oder kulturelle Einrichtungen schließen, Angebote der Jugendarbeit und der Seniorenbetreuung reduzieren, Straßenbeleuchtungen abschalten, und manche wollen sogar Kitas schließen.

In keinem anderen Bundesland wollen derart viele Kommunen ihre Leistungen zurückfahren. „Warum ist das so?“, frage ich mich, wenn in Hessen doch alles so toll läuft, wie die CDU das gesagt hat und die GRÜNEN es mit ihrem Antrag mit unterstützen und uns weismachen wollen. Damit nicht genug, Kollege Weiß hat bereits darauf hingewiesen: 85 % der Kommunen in Hessen wollen infolge der Corona-Krise ihre Steuern und Gebühren erhöhen. Höher ist der Wert deutschlandweit nur in Sachsen – sonst in keinem anderen Bundesland.

Auch hier zeigt sich, dass die Kommunen in Hessen finanziell mit dem Rücken an der Wand stehen. Starke Kommunen in einem starken Hessen sehen jedenfalls anders aus, liebe CDU, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Für uns als LINKE ist jedenfalls klar: Wir dürfen nicht zulassen, dass die Kosten der Corona-Krise auf die Kommunen abgewälzt werden und diese in der Folge zu unsozialen Kürzungen greifen oder die Steuern und Gebühren weiter erhöhen. Was wir stattdessen brauchen, sind eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen durch das Land, eine Abkehr von der Schuldenbremse und eine stärkere Besteuerung von Reichtum in unserer Gesellschaft.

(Beifall DIE LINKE)

Wir brauchen eine konkrete Vorstellung davon, wie wir trotz der Corona-Pandemie auf dem Weg in eine sozialere, ökologischere und gerechtere Gesellschaft vorankommen – auch und vor allem in den Kommunen.

Gerade in dieser Frage kann ich in Ihrem Antrag, aber auch im Kommunalwahlprogramm der CDU insgesamt, wenig Handfestes finden. Dafür reicht es nämlich nicht aus, „Wir alle. Für Hessen“ zu sagen und einen Kessel Buntes zu präsentieren. Auch die im Antrag genannten Investitionen in Digitalisierung, Klimaschutz, Bildung, Sport und Kultur sind doch bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Hessen und ein gutes Leben für alle bleiben so jedenfalls in weiter Ferne.

(Beifall DIE LINKE)

Wir als LINKE setzen gerade hier unsere Schwerpunkte. Das bedeutet, dass wir für bezahlbaren Wohnraum und eine gute Infrastruktur für alle streiten – und zwar überall, in der Stadt wie auf dem Land: mit dem Landesprogramm zur Schaffung von jährlich mindestens 10.000 Sozialwohnungen, mit einem sofortigen Mietenstopp und einem Mietendeckel in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt sowie einem Förderprogramm, das dafür sorgt, dass öffentliche und vor allem kommunale Wohnungsunternehmen ihren Wohnungsbestand energetisch sanieren können, ohne dass die Mieten steigen, und mit umfassenden strukturpolitischen Maßnahmen zur Stärkung der ländlichen Regionen.

Gerade in Bereichen wie Mobilität, Gesundheit, Bildung und Kultur wirkt die Corona-Krise aktuell wie ein Brennglas und zeigt die Versäumnisse der letzten Jahre und Jahrzehnte schonungslauf auf – auch und gerade in den Kommunen.

Deshalb müssen dringend Schwerpunkte gesetzt werden, und zwar durch einen umfassenden Ausbau des Bus- und Bahnnetzes, durch einen Nulltarif und mehr Raum für Radund Fußverkehr in unseren Städten, durch mehr und besser bezahltes Personal in unserem Gesundheitssystem, durch einen Stopp der Privatisierung insbesondere kommunaler Krankenhäuser, durch einen flächendeckenden Ausbau von – auch personell – gut ausgestatteten ganztägigen Kindertagesstätten, durch die Sanierung und den Neubau von Schulen und eine gebührenfreie Bildung für alle sowie durch eine spezielle Förderung der vielen und vielfältigen Kulturschaffenden, die aktuell besonders unter der CoronaKrise zu leiden haben.

(Beifall DIE LINKE)

All diese Initiativen müssen wir verbinden mit dem Kampf für konsequenten Klimaschutz vor Ort und konkrete Maßnahmen für klimaneutrale Städte und Gemeinden, etwa durch verstärkte Investitionen in erneuerbare Energie und eine klimagerechte Stadtplanung. Klimaschutz darf aber keine Frage des Geldbeutels sein. Ebenso darf der Kampf gegen Armut und Erwerbslosigkeit nicht vernachlässigt werden.

Erst wenn uns all das gelingt, können wir wirklich von starken Kommunen in einem starken Hessen sprechen.

(Beifall DIE LINKE)