Rede von Hermann Schaus

Die letzte Rede von Hermann Schaus im Hessischen Landtag

Hermann SchausKommunales

Nach über 14 Jahren im Hessischen Landtag wird unserer langjähriger Parlamentarischer Geschäftsführer und innenpolitischer Sprecher Hermann Schaus sein Abgeordnetenmandat Ende August niederlegen. Am 14. Juli hielt er daher seine letzte Rede im Parlament - und das zu einem seiner Herzensthemen: die Abschaffung der Straßenbaubeiträge.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Aller guten Dinge sind drei. Deshalb freue ich mich, Ihnen heute zum dritten Mal, nach 2018 und 2019, unseren neuen Gesetzentwurf zur Abschaffung der ungerechten Straßenausbaubeiträge vorstellen zu müssen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Müssen!)

Unsere Freude wäre natürlich viel größer gewesen, wenn die Koalition bereits vor Jahren unserer Forderung gefolgt wäre. Denn die 2018 verabschiedete Reform des Gesetzes über kommunale Abgaben hat nicht – wie damals behauptet – zu einer Beruhigung der Betroffenen geführt.

Von den 420 hessischen Kommunen erheben heute ca. 180 keine Beiträge mehr. Darunter sind sogar 25 Kommunen, die zuvor wiederkehrende Beiträge hatten. Etwa 45 Kommunen erheben derzeit wiederkehrende Straßenbeiträge, und ca. 25 haben die Beitragssätze zugunsten der betroffenen Anlieger geändert.

Trotz der 2018 von CDU, GRÜNEN und FDP beschlossenen Novelle und trotz der Regelungen im sogenannten „Starke Heimat Hessen“-Gesetz werden in den übrigen ca. 170 Kommunen unverändert Einmalbeiträge erhoben.

Bei diesen Einmalbeiträgen sind Extremfälle mit Zahlungen von jeweils ca. 100.000 € und mehr aus Eichenzell, Battenberg und Bad Arolsen bekannt. Weiterhin gibt es in der Bevölkerung keine Akzeptanz für Straßenbeiträge, was die Aktivitäten von über 70 Bürgerinitiativen in Hessen belegt.

(Beifall DIE LINKE)

Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist in vielfältiger Hinsicht ungerecht, zumal alle Anlieger beim erstmaligen Bau der Straße Erschließungsbeiträge bezahlen. Zudem müssen Anwohner von Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen gar keine Beiträge zahlen. Diese Gerechtigkeitslücke muss endlich geschlossen werden.

(Beifall DIE LINKE)

Der Glaube bei CDU, GRÜNEN und FDP, durch wiederkehrende Beiträge eine größere Akzeptanz zu erreichen, erweist sich weiter als Trugschluss.

In anderen Bundesländern ist man da schon viel weiter. In Baden-Württemberg gab es noch nie Straßenausbaubeiträge. In Berlin, Hamburg, Bremen, Thüringen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Bayern wurden sie zwischenzeitlich abgeschafft. Aber wenn selbst dies die CDU-GRÜNE-Koalition immer noch nicht beeindruckt, dann empfehle ich, sich an der neuen schwarz-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen ein Beispiel zu nehmen. In deren Koalitionsvertrag ist in den Zeilen 5.245 ff. Folgendes zu lesen:

Wir werden die Straßenausbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz für das Land NordrheinWestfalen rückwirkend zum 1. Januar 2018 für die beitragspflichtigen Eigentümerinnen und Eigentümer abschaffen und die ausbleibenden Einnahmen für die Kommunen landesseitig ersetzen.

(Beifall DIE LINKE)

Genau dies beinhaltet unser Gesetzentwurf, nämlich die pauschale Erstattung von 50 % der Gesamtkosten für die Kommunen sowie einen Härtefallausgleich nach bayerischem Vorbild. Sie müssen dem also nur noch zustimmen, und schon sind Sie mich, aber auch die 70 Bürgerinitiativen endlich los.

(Beifall DIE LINKE – Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Dann stimme ich dagegen!)

Okay, ich gebe es zu: Sie werden mich schon früher los.

Im April 2008 bin ich erstmals als Abgeordneter mit der damals neuen Fraktion DIE LINKE in den Landtag eingezogen. In dieser leider sehr kurzen 17. Legislaturperiode wurde ich auch zum Vizepräsidenten gewählt. Heute ist diese 683. Rede meine letzte Rede. Darauf, dass ich in unserem ersten Parlamentsjahr daran mitwirken konnte, gemeinsam mit SPD, GRÜNEN und LINKEN die Studiengebühren abzuschaffen, bin ich sehr stolz.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerne hätte ich auch noch an der Demokratisierung des Hessischen Personalvertretungsgesetzes mitgewirkt. Ein fertiger Gesetzentwurf des DGB lag bereits 2008 vor. Andrea Ypsilanti sagte mir seinerzeit: Das machen wir gleich nach der Regierungsbildung. – Das ist nun fast 14 Jahre her, und immer noch gibt es keine umfassende Novellierung des Hessischen Personalvertretungsgesetzes. Das schmerzt mich als Gewerkschafter sehr.

Vierzehneinhalb Jahre habe ich dem Hessischen Landtag angehört, fast elf Jahre davon als parlamentarischer Geschäftsführer unserer Fraktion. Ich habe auch knapp 14 Jahre lang als innenpolitischer Sprecher gewirkt und war in drei Untersuchungsausschüssen – zur Polizeichef-Affäre, den Morden des NSU und der Ermordung unseres Kollegen Dr. Lübcke – als Obmann unserer Fraktion tätig.

Deshalb sage ich heute: Die Gefahr von rechts außen ist bedrohlich. Wie meine Genossin Janine Wissler schon sagte: Deswegen ist es so wichtig, dass es eines der gemeinsamen Anliegen aller demokratischen Kräfte ist, gegen rechts und gegen alle Formen von Rassismus und von Faschismus anzukämpfen. Das ist eine wichtige Lehre aus der deutschen Geschichte.

(Beifall DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte mich bei ganz vielen Kolleginnen und Kollegen für den Austausch und die gute Zusammenarbeit bedanken. Ich möchte mich besonders bedanken bei meinen parlamentarischen Geschäftsführerkolleginnen und -kollegen, bei Günter Rudolph, bei Angela Dorn, bei Mathias Wagner und Jürgen Frömmrich, wie auch bei Axel Wintermeyer sowie bei Holger Bellino, meinem langjährigen Nachbarn aus Neu-Anspach.

Ich möchte mich bedanken bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Landtag in der Kanzlei, bei den Stenografinnen und Stenografen, bei den Ausschussgeschäftsführerinnen und Ausschussgeschäftsführern, mit denen ich zusammenarbeiten durfte.

Als Gewerkschafter bedanke ich mich aber auch ganz besonders bei denen, die uns stets im Hintergrund unterstützen, bei dem Hausmeisterteam, den Beschäftigten in der IT, an der Pforte, den Reinigungskräften, den Boten, den Saaldienern und natürlich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtagsrestaurants.

(Beifall DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin sehr gerne Landtagsabgeordneter gewesen. Ich wünsche Ihnen persönlich alles Gute.

(Beifall DIE LINKE, SPD, vereinzelt CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Freie Demokraten und Dirk Gaw (AfD) – Hermann Schaus (DIE LINKE) wird ein Blumenpräsent überreicht.)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Vielen Dank, Hermann Schaus. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass unsere Parlamentspräsidentin heute Abend die Worte finden wird, Hermann Schaus zu verabschieden. Deswegen belasse ich es jetzt einmal dabei. Ich habe dir zum letzten Mal von diesem Platz aus in diesem Haus das Wort erteilen dürfen. Von unserer ursprünglichen Fraktion bin ich nun der letzte übrig gebliebene Dinosaurier.