Rede von Hermann Schaus

"Alles dafür tun, damit die Erfolgsgeschichte erneuerbare Energien auch in Hessen geschrieben werden kann"

Hermann Schaus

Zum SPD-Antrag zur Ausweisung der Windvorrangflächen

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren,

wie idyllisch schmiegen sich doch die Kraftwerksblöcke von Staudinger und Biblis in die hessischen Landschaften und welches romantische Herz schlägt nicht höher beim Anblick von Hochspannungsleitungen, die sich auf 50 Meter hohen Stahlmasten über Berge und Täler dahin ziehen. Stolz blicken wir auf diese industriellen Errungenschaften und eine durch Fernsehtürme und Mobilfunkanlagen kultivierte Landschaft. Wer möchte nicht am liebsten in unmittelbarer Nähe eines Atommeilers wohnen und sich täglich am ästhetischen Anblick einer faszinierenden Großanlage ergötzen und von Abwärme und florierendem regionalen Kraftwerks-Tourismus profitieren. Die Menschen am Kraftwerkstandort Staudinger wissen, wie schön das ist - und wir beneiden sie.

Wie schreckenerregend sind dagegen die bedrohlichen Windkraftmonster, welche nun in diese von Menschenhand geschaffene Idylle einzubrechen drohen. Sie hinterlassen den kommenden Generationen nicht einmal zehntausende Jahre strahlenden Atommüll und gefährden schon gar nicht das Weltklima. Hier ist Widerstand angezeigt: Wo immer es in Hessen ernst wird mit der Windkraft, wo immer der in Sonntagsreden angekündigte Klimaschutz,  zukunftsfähige Energieversorgung, sogar die Bewahrung der Schöpfung, tatsächlich durch Installation von Windparks Rechnung getragen werden soll, da entstehen einflussreiche Bündnisse aus selbsternannten "Landschaftsschützern".

Diese selbsternannten Landschaftsschützer scheinen tiefen Eindruck hinterlassen zu haben, auf die regional und hessenweit aktiven Parteien, vornehmlich die CDU und FDP, aber zuweilen auch auf die SPD auf kommunaler Ebene und bei den Grünen ist das auch nicht immer sicher, wenn ich an das Verhalten im Hochtaunuskreis denke.

Aber die Allianz gegen die Windkraftmonster scheint – und das beschäftigt uns im vorliegenden Antrag – auch die Meinungsführerschaft in der Verbandskammer des Planungsverbandes in dieser Frage zu besitzen und möchte den Raum zur Nutzung von Windenergie in Hessen auf ein Maß begrenzen, das auf einen faktischen Verzicht des Einsatzes von Windenergie in Hessen hinauslaufen würde. Hier wird unter der falschen Flagge des Landschaftsschutzes angeheuert, eine scheinbare Meinungsführerschaft reklamiert und damit der Energielobby für Kohle und Atom der Fortbestand auf die nächsten Jahrzehnte gesichert.

Die eingeschränkte Ausweisung von Windvorranggebieten macht es aus Sicht meiner Fraktion dringend notwendig, dass Landtag und Landesregierung sich gegen die Umsetzung dieses zu Ungunsten künftiger Nutzung von Windenergie gefassten Beschlusses und für eine deutliche Ausweitung von Windvorranggebieten aussprechen. Deshalb unterstützen wir den Antrag der SPD-Fraktion an dieser Stelle uneingeschränkt.

Falls es noch nicht deutlich geworden ist, wie fadenscheinig, unsinnig und angesichts einer sich längst abzeichnenden Klimakatastrophe und Ressourcenverknappung auch gefährlich die Vorurteile gegen die Windenergie sind, will ich das nur kurz an vier Punkten aufzeigen:

1. Laut einer vor drei Monaten publizierten Forsa-Studie würden 57 Prozent der Befragten die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien in ihrer unmittelbaren Nähe problemlos akzeptieren. Und die Zustimmung steigt sogar noch weiter – auf 79 Prozent – wo die Menschen bereits Erfahrungen mit Windenergieanlagen in ihrer unmittelbaren Umgebung gemacht haben. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil man von Akzeptanz großer Kohle- und Atomkraftwerke in der regionalen Umgebung überhaupt nicht sprechen kann, wie man bei Staudinger und der Ingelheimer Aue unschwer sieht.

2. Das unter rot-grün eingeführte erneuerbare Energiengesetz und die damit geförderte und entstandene neue Branche sind eine Erfolgsgeschichte. Nicht nur, dass in Deutschland hunderttausende zukunftsfähiger und sicherer Arbeitsplätze in Wirtschaft und Forschung entstanden sind und wir uns eine vorübergehende Vorreiterrolle beim Klimaschutz und der Entwicklung energieeffizienter Anlagen erworben hatten.

3. Wie die Leitstudie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit von 2008 zeigt, ist die Stromerzeugung durch die atomare Risikotechnologie komplett aus erneuerbaren Energieträgern zu kompensieren – und sogar zu übertreffen. Aufgrund der naturräumlichen Ausstattung bietet sich aus dem Spektrum der erneuerbaren Energien in Hessen die Windkraft als einer der wichtigsten Energieträger an. Nur wer von vorneherein auf Atomstrom nicht verzichten möchte und die klimaschädliche Kohleverstromung bis zum Ende dieses Jahrhunderts verlängern möchte, kann auf die Idee kommen, die Standorte für Windkrafträder derart unzulässig einzuschränken wie es der Regionale Flächennutzungsplan derzeit vorsieht.

4. Die Anstrengungen der Landesregierung, die laut Koalitionsvertrag unternommen werden sollen, um die erneuerbaren Energien in Hessen zu fördern, sind an sich schon marginal. Aber wenn die Ausweisungsgebiete für Windkraft derart begrenzt werden, dann müssten sie schon mal erklären, wie sie denn überhaupt das Minimalziel von 20 Prozent bis 2020 erreichen wollen! Es ist ganz einfach: Sie haben kein Konzept für die Förderung erneuerbarer Energien, weil sie nicht fördern wollen. Sagen sie das doch einfach.

Aus den genannten Gründen ist es für DIE LINKE dringend geboten, der Windenergie einen notwendigen Platz in Hessen zuzuweisen. Die dezentrale Versorgung mit erneuerbarer Energie ist zukunftsträchtig, ja sogar zukunftsnotwendig! Energiesicherheit bedeutet aus Sicht der LINKEN: Jetzt alles dafür tun, damit die Erfolgsgeschichte erneuerbare Energien auch endlich in Hessen geschrieben werden kann. Und die Bevölkerung steht dort der Ansiedlung von Windparks aufgeschlossen gegenüber, wo sie durch Beteiligungen unmittelbar auch Kostenvorteile davonträgt. Ablehnung gibt es vor allem Gegenüber Atom- und Kohlekraftwerken.

Eine verantwortungsvolle Landesregierung sollte erneuerbare Energien in diesem Sinne nach Kräften fördern, wo sie nur kann. Dass die CDU-FDP Regierung im Sinne der Atom- und Kohle-Lobby handelt, macht sie verantwortungslos.